Château Les Rossignols
Ich hatte ja bereits in meiner letzten Kolumne erzählt, dass ich derzeit ein Faible für Bordeaux-Weine habe und eigentlich nur Château-Weine kaufe, weil ich hoffe, so am schnellsten etwas über die Zusammensetzung der Weine, ihr Terroir und ihren spezifischen Geschmack zu lernen.
Beim „Château Les Rossignols“ bin ich damit in einer Sackgasse gelandet. Es kann sein, dass sich deren Besitzer einfach nicht für das Internet interessieren und dass deshalb nirgendwo in Erfahrung zu bringen ist, wo genau das Weingut tatsächlich liegt.
Ein Grund dafür könnte auch darin bestehen, dass der Begriff Château in den letzten Jahren immer inflationär gebraucht wird und sich nach geltendem französischen Recht selbst Reihenhäuser mit einer kleinen Parzelle, auf denen sie Wein kultivieren, Château nennen dürfen, wenn der Wein zumindest dem AOC-Standard genügt. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass der Edeka – Konzern, der den “Château Les Rossignols” exklusiv verkauft, mit den Liefermengen eines solch kleinen Châteaus seine sämtlichen Filialen bestücken könnte. Wahrscheinlicher ist, dass Edeka im gesamten Bordelais AOC-Weine ankauft und sie zu einer geschmacklich gleichbleibenden Cuvée vermengt und unter dem Namen “Château des Rossignols” abfüllt. Eine Erzeugerabfüllung ist für einen Château-Wein nur nötig, wenn explizit “mise en bouteille au château” auf der Flasche steht.
Ich habe mir das Rückenetikett der Flasche daraufhin einmal genauer angesehen und entdeckt: Der Wein wird exklusiv in der Rheinberg Kellerei Bingen abgefüllt. Und diese Kellerei gehört dem Edeka-Verbund. Auf deren Webseite heißt es:
Mit der Rheinberg-Kellerei in Bingen betreibt EDEKA als einziger Lebensmittelhändler eine eigene Kellerei – die zweitgrößte Kellerei Deutschlands.
https://verbund.edeka/karriere/edeka-als-arbeitgeber/unternehmen-im-überblick/rheinberg-kellerei.html
Und an anderer Stelle:
Von dem großen Sortiment werden rund 350 Weine und Sekte exklusiv für die Weinregale unserer EDEKA-Märkte bereitgehalten und die meisten Weine davon werden selber produziert. Mit großem Fachwissen und leidenschaftlicher Hingabe werden sowohl deutsche Weine ausgebaut als auch importierte Weine sachkundig weiterverarbeitet. Zusammen mit dem verantwortlichen Warenbereich der Edeka Zentrale wird das Sortiment ständig kritisch geprüft und erweitert, so dass sich zu nationalen Klassikern wie den Dauerbrennern Dornfelder oder Riesling auch besondere Spezialitäten wie Beerenauslese oder Eiswein sowie internationale Top Weine aus Bordeaux, der Toskana, der Rioja oder Übersee gesellen.
https://verbund.edeka/unternehmen/eigenmarken-produktion/produktion/rheinberg-kellerei/
All dies ändert jedoch nichts daran, dass „Château Les Rossignols“ für mich zu dem geworden ist, was der Kadarka in in der Oberstufe des Gymnasiums und der Vin de Pays d’Hérault in Studentenzeiten für mich war: ein überaus preiswerter, gleichzeitig aber leckerer Rotwein. Als Bordeaux ist er für seinen kleinen Preis unschlagbar.
Immerhin so viel habe ich über ihn herausgefunden: Der Wein ist eine klassische Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot. Das sind ohnehin die drei verbreitetsten Trauben im Bordelais, zumindest für den Rotwein. Mittlerweile haben auch andere Traubensorten in der Region Einzug gehalten, wie der Petit Verdot, Malbec oder die Carménère. Mit der Klimaveränderung gelangen inzwischen weitere Sorten nach Bordeaux, die besser mit den trockenen Sommern auskommen. Insgesamt liegt ihr Anteil 2022 aber noch bei ca. 2%.
Im Glas fällt beim „Château Les Rossignols“ das tiefe Rubinrot auf, das aber eigentlich alle Rotweine des Bordelais auszeichnet. Mittlerweile ist es mir auch gelungen, beim Schwenken im Glas mit ihm die sogenannten Tränen zu erzeugen (auch Schlieren, Kirchenfenster, Beine genannt). Ich dachte ursprünglich, dies wäre ebenfalls ein Qualitätskriterium. Mittlerweile denke ich aber eher, das hat damit zu tun, ob ich mein Weinglas mit Spülmittel säubere oder nur unter fließendem Wasser.
Der „Château Les Rossignols“ braucht wie jeder Wein eine Weile nach dem Öffnen, bevor er seine Qualität ausbreitet. Dann aber zeigt er eine Nase von Pflaume und Waldbeeren, mit einem Hauch von Vanille.
Die Säure attackiert eher Zunge als Gaumen; der Zucker ist dominant, ohne den trockenen Charakter abzuschwächen. Manchmal ahne ich hinter seiner erdigen Note das Terroir und träume mich in die Weinberge des rechten Ufers. Geschmack ist immer subjektiv. Aber das ein Wein mich zum Träumen anregt, gefällt mir.
Der Abgang gerät kurz. Ich habe von Leuten gelesen, die in Bezug auf diesen Wein das Gegenteil behaupten. Aber zumindest ich kann das nicht bestätigen. Macht auch keinen Sinn: Der Abgang wird normalerweise mit dem Alter intensiver. Von einem jungen Wein zu erwarten, dass er lange in der Kehle nachklingt, wäre vermessen.
Insgesamt fällt mir bei den Wein-Bewertungsportalen im Netz auf, dass viele weniger ihren eigenen Sinnen als dem Preisschild vertrauen und den „Château Les Rossignols“ verächtlich niedermachen. Es mag ja sein, dass ich kein großer Connaisseur bin, aber ich habe für Weine, die mir weniger boten, schon an die dreißig Euro bezahlt. Als junger Wein ist die Cuvée der Rheinberg Kellerei Bingen ein idealer Alltagswein.